HateLess. Gemeinsam gegen Hass. Wie ein Trainingsmanual für die Prävention von Hatespeech das Schulklima verändern hilft.

20.07.2023
Bildung in der digitalen Welt

"HateLess" ist ein neu entwickeltes Programm zur Prävention von Hatespeech. HateLess bietet ein Curriculum, das von Lehrkräften einfach umgesetzt werden kann. Das Programm bietet eigens erstellte Materialien und detaillierte Ablaufpläne mit pädagogischen Methoden, die (u.a. soziale, demokratische und mediale) Kompetenzen stärken, um Hatespeech effektiv zu reduzieren.

Der Begriff Hatespeech ist zuletzt und insbesondere durch Social Media wieder stärker in den öffentlichen Fokus gerückt. Hatespeech ist aber kein neues Phänomen und beschränkt sich nicht nur auf den Online-Raum. Jede kommunikative Äußerung, die öffentlich und absichtlich geäußert wird und eine Personengruppe abwertet, ausgrenzt oder demütigt, kann als Hatespeech begriffen werden. Viele Gruppen können davon betroffen sein – z.B. aufgrund der Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der Religion.
HateLess (dt. = frei von Hass) ist ein neu entwickeltes Programm zur Prävention von Hatespeech, das für den Einsatz in Schulen bestimmt ist. HateLess bietet ein Curriculum, das von Lehrkräften einfach umgesetzt werden kann. Das Programm bietet auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse eigens erstellte Materialien und detaillierte Ablaufpläne mit pädagogischen Methoden, die (u.a. soziale, demokratische und mediale) Kompetenzen stärken, um Hatespeech effektiv zu reduzieren.

„HateLess“ trägt im Untertitel die Aufforderung „Gemeinsam gegen Hass“ und setzt damit auf die Stärke des Zusammenhalts in einer Klasse. Angesprochen sind vor allem siebte und achte Klassen. In fünf Modulen sollen die Jugendlichen gemeinsam lernen, was Hatespeech so gefährlich macht, wie sie entsteht und welche Schäden sie anrichtet, um dann mit der richtigen Strategie dagegen ankämpfen zu können und die eigene Schule von Hass und Hetze zu befreien. Da ein Element auf dem anderen aufbaut, eignet sich das Programm besonders gut für eine Projektwoche.

Ein bis ins Detail ausgearbeitetes Manual navigiert die Lehrerinnen und Lehrer durch das schwierige Terrain, gibt ihnen didaktisches Werkzeug an die Hand, erklärende Power-Point-Präsentationen, Animationsvideos und einen eigens produzierten Kurzfilm. Zur Seite stehen ihnen fünf Protagonisten: Anura, Bennet, Carla, Hamza und Laura. Sie sind es, die den einzelnen Modulen ein Gesicht geben. Gleichaltrige, die für die Schülerinnen und Schüler zu Vertrauten werden können und die Chance bieten, sich mit ihnen zu identifizieren. Dabei hilft es, dass die fünf ebenfalls gemeinsam in einer Klasse lernen und so verschieden sind, wie dies in heterogen zusammengesetzten Schulklassen heute Realität ist. Ihr sozialer, kultureller und familiärer Hintergrund wird hier ebenso wenig ignoriert wie ihre persönlichen Eigenschaften, Interessen und Erfahrungen. Teils haben sie selbst oder ihre Angehörigen Hass und Anfeindungen erlebt, wurden benachteiligt oder diskriminiert. Ihre Charaktere sind glaubhaft, ermöglichen Empathie und repräsentieren zugleich die Vielfalt der Lebenswirklichkeiten.

Bewusstsein schaffen in 5 Modulen
Im Programm führen sie Schritt für Schritt zu jedem einzelnen Etappenziel und begleiten die Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zu einer von Hass befreiten Schule. Alles beginnt mit Claras Frage: „Ist das schon Hatespeech?“ Die Jugendlichen lernen, den Begriff abzugrenzen von verbaler Gewalt und Mobbing. An Beispielen begreifen sie, wie systematische Attacken in Worten, Bildern und Videos dazu animieren, jemanden in seiner Würde zu verletzen, nicht, weil man die Person nicht leiden kann, sondern weil sie Teil einer marginalisierten Gruppe ist, etwa der der Geflüchteten oder der Menschen mit Behinderungen. Hate Speech enthält stets eine Botschaft, eine Aufforderung zur Diskriminierung.

Wenn die Jugendlichen das verstanden haben, führt sie das zweite Modul zur Ursachenforschung und zur Frage nach den zugrundeliegenden Motiven. Sie reflektieren ihre eigene Gruppenzugehörigkeit und die Art, wie sie in ihr soziale Normenwahrnehmen. Aber: „Was ist schon normal?“, fragt Hamza provokant und fordert die Klasse dazu auf, die Vorstellungen von Normalität und Anderssein zu hinterfragen. Im Spiel mit vertauschten Rollen können die Schülerinnen und Schüler erspüren, wie es sich anfühlt, zu den Ausgegrenzten zu gehören. Spätestens an dieser Stelle ist es Zeit, über Hass im Netz zu sprechen, über Filterblasen, Echokammern, Clickbait und jene Online-Enthemmung, die es so einfach macht, unerkannt Grausamkeiten über das Internet zu verbreiten.

Im dritten Modul meldet sich Anura und behauptet: „Worte können spalten.“ Das Mädchen regt die Klasse dazu an, über die Folgen für die Gesellschaft nachzudenken. Mit der Methode des „World Cafés“ sollen die Schülerinnen und Schüler darüber diskutieren, wie Hatespeech ihre konkrete Lebensweltverändert, in der Schule, in Film und Musik, in den Social Media, beim Spielen, im Sport, wo auch immer. Ist das Lernziel dieser Etappe erreicht, werden sie das Gefahrenpotenzial für die Demokratie und die Meinungsfreiheit erkannt haben. Auch werden sie an einem konkreten Vorfall nachvollziehen, wie tief Worte persönlich verletzen können, indem sie die Perspektive der betroffenen Person einnehmen und sich in ihre Gefühle hineinversetzen. Ist man selbst beleidigt worden, hilft es, sich ein dickes Fell zuzulegen. Im HateLess-Programm bedeutet das, sich der inneren und äußeren Ressourcen bewusst zu werden, Hilfe und Beratung zu suchen oder zumindest zu wissen, wo sie im Ernstfall zu finden sind.

„Auf jede und jeden kommt es an“, weiß auch Bennet und lenkt im vierten Modul die Aufmerksamkeit der Klasse auf den richtigen Umgang mit dem Problem. Der Begriff Zivilcourage kommt aufs Tableau. Die Jugendlichen diskutieren, wie man in Hatespeech-Situationen couragiert eingreifen kann, und erproben im Rollenspiel, welche Reaktionen am besten funktionieren. Sie lernen, Konflikte sozialverträglich auszutragen, sich fair zu streiten und konstruktive Lösungen anzustreben. Ziel des Moduls ist es, eine HateLess-Klasse zu werden. Dafür braucht es Regeln und ein solidarisches Miteinander, wissen die Jugendlichen. Auch die Reflexion des bisher Gelernten wird ihren Zusammenhalt stärken.

Wenn mehrere Klassen das Programm bis zu diesem Punkt erfolgreich durchlaufen haben, können sie sich zusammenschließen und ihre Schule zu einem Ort ohne Hass umgestalten. Laura regt deshalb im fünften Modul die Gründung einer schulischen Interessengemeinschaft an, den Aufbau einer HateLess-Ausstellung, die Produktion von Infoflyern oder einer Podcast-Folge. Es gibt viele Optionen, das neue Wissen in die Schulöffentlichkeit zu tragen und sich klargegen Hatespeech zu positionieren. Das Wichtigste jedoch ist, dass es in der Gemeinschaft geschieht.

Das Projekt wurde von der Uni Potsdam entwickelt und evaluiert
In der Evaluationsgruppe (ca. 900 SuS) gab es einen Wissenszuwachs über Hatespeech, eine Abnahme von Hatespeech in der Klasse und eine Abnahme von Hatespeech-begünstigenden Normen. Counterspeech, Empathie für Betroffene und Selbstwirksamkeit im Umgang mit Hatespeech nahmen zu. Schüler*innen berichteten außerdem von einem inklusiveren Klassenklima nach dem Projekt.

Das HateLess-Programm beinhaltet fünf Module, die jeweils für einen Schultag geplant sind. Ein Modul umfasst drei Bausteine à zwei Schulstunden, entspricht also insgesamt einem Schultag mit sechs Schulstunden. Die klare Strukturierung ermöglicht es, HateLess (dt. = frei von Hass) - abhängig von den zeitlichen Freiräumen - unterschiedlich umzusetzen. Die didaktischen Materialien umfassen das Manual, Powerpoint-Präsentationen, Arbeitsmaterialien und Animationsvideos.

Das Präventionsprogramm ist kostenfrei im Download verfügbar.

Das HateLess-Team
Hatespeech betrifft die Lebenswelt von Heranwachsenden in einem erheblichen Maße. Deshalb sind auch Schulen mit dem Phänomen zunehmend konfrontiert. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit menschenverachtenden Positionen. Um Schulen dabei zu unterstützen, wurde das Programm HateLess entwickelt. Es ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Universität Potsdam und dem Deutschen Forum für Kriminalprävention (DFK). Gefördert vom Bundesministerium der Justiz.

Gemeinsam gegen Hass
Hatespeech hat negative Auswirkungen auf Jugendliche. Daher ist es wichtig, etwas dagegen zu unternehmen. Hierfür wurde das Programm "HateLess - Gemeinsam gegen Hass" entwickelt. Auf dieser Seite finden Sie alle notwendigen Informationen und Materialien, um HateLess an Ihrer Schule durchzuführen.
https://www.hateless.de/

Projektmaterial für die Durchführung an der eigenen Schule verfügbar
HateLess hat das Ziel, Jugendliche zu befähigen, sich gegen Hassrede zu engagieren und eine positive, tolerante Haltung zu entwickeln. HateLess wurde für den Einsatz in der Schule konzipiert. Das pädagogische Schulpersonal kann es eigenständig durchführen.

Publikationen
In diesem Abschnitt finden Sie aktuelle empirische Befunde zum Thema Hatespeech unter Jugendlichen. Die Forschungsarbeiten bedienen sich qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden und stellen die wissenschaftliche Grundlage für die Entwicklung von HateLess dar.
https://www.hateless.de/publikationen

Hilfe & FAQ
Was kann ich tun, wenn ich Hatespeech erfahre oder beobachte? An wen kann ich mich wenden? Wie kann das pädagogische Schulpersonal mit schwierigen Situationen bei der Durchführung von HateLess umgehen? Diese Fragen werden hier beantwortet.
https://www.hateless.de/hilfe-faq

Alle Materialien für Lehrkräfte auf einen Blick
Viele Printmaterialien sind auch in unserem Manual zu finden. Darüber hinaus gibt es aber noch weitere Materialien, wie Animationsvideos oder die Präsentation, die im Downloadbereich kostenlos zur Verfügung stehen. Illustrationen mit den HateLess-Held:innen begleiten die Materialien und ermöglichen einen entwicklungsangemessenen Zugang zum Thema.
https://www.hateless.de/hateless/didaktische-materialien

Animationsvideos (MP4)
Für die Umsetzung von HateLess wurden sechs Animationsvideos erstellt. Sie kommen in einzelnen Bausteinen während der Projektwoche oder des Projekttages zum Einsatz und haben dabei eine vielfältige Funktion: Die Animationsvideos beschreiben den Aufbau von HateLess, erklären neue Begriffe und Phänomene, schildern Sachverhalte anhand von alltäglichen Beispielen und regen zur Reflexion an:

 

Projektbeschreibung Uni Potsdam
https://www.uni-potsdam.de/de/nachrichten/detail/2022-06-16-praeventiv-gegen-hass-programm-hateless-soll-jugendlichen-helfen

 

Schulische Prävention: Das Programm „HateLess“ als strukturierte Prävention von Hatespeech in der Schule
im forum kriminalprävention 2/2022

https://www.forum-kriminalpraevention.de/files/1Forum-kriminalpraevention-webseite/pdf/2022-02/HateLess.pdf